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zur ›kunst der fuge‹

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manifest ist dieser census nur in der ›kunst der fuge‹; dort fehlt XCIV ›herr gott  gott des die rache ist erscheine‹ dessen kainszeichen uns im ›herrgottnochmal‹ leichtfertiger rede noch allzu gelaeufig ist; die anderen fuenf sind beim singen der sechs kanon-zyklen zu uebergehen; im dritten sind es LXVIII ›es stehe gott auf  dasz seine feinde zerstreuet werden‹; LXII ›des salomo  gott gib dein gericht dem koenige‹ die historische unterweisung assaphs LXXVIII ›hoere mein volk  meine gesetze‹  assaphs LXXIX ›herr  es sind die heiden in dein erbe gefallen‹; im sechsten zyklus ist es der vorletzte in der reihe der lob- und jubelpsalmen dessen angeblich ›neues lied‹ anfangs die diktion der gleichnamigen zur ›kunst der fuge‹ gehoerenden psalmen XCVI und XCVIII imitiert  im weiteren aber ein von rachefantasien entstelltes ist

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in die kategorie der unkomponierbaren rachepsalmen fiele auch der elegisch beginnende  doch aufs entsetzlichste endende psalm CXXXVII ›an den wassern zu babel saszen wir‹ wenn nicht dieser elegische anfang waere  vor allem aber das 1725 erstmals in straszburg im geist der taeufer gesungene lied ›an wasserfluessen babylon‹ die hier eine zeitlang zuflucht fanden; in gleichem sinn widerstreitet das doppelpedal der weimarer choralbearbeitung der zuvor gehoerten predigt und verkuendet den still hinausgehenden etwas  das sie zwar hoeren  doch nicht verstehen sollen  auf dasz kein einfaeltiges geaergert werde: ›gehet aus von mir mein volk  dasz ihr nicht teilhaftig werdet ihrer suenden…‹; so uebernimmt bach nur den klagenden beginn und tilgt den selbst hier nicht wiederholbaren schlusz mit allem was dazu gehoert

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ohne jene durchgaengig von aesthetischen didaktischen und oekonomischen gesichtspunkten bestimmten prinzipien der ›electio‹ und ›recensio‹ der texte  die jeder komposition vorausging  und so auch in deren syntaktischer diktion stets wieder erkennbar blieb waere bachs lebensprojekt – die verwandlung des worts in gesang – nicht moeglich gewesen; es begann mit dem beginn von prediger salomo als der vokale grund des capriccios e-dur ›in honorem johann christoph bachii ohrdruf[iensis]‹; darin der in der widmung anklingende  lebenslang gueltig bleibende satz ›und das ohr hoeret sich nimmer satt‹

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